Es-Gedicht

Heute kann ich wieder dichten
Etwas hat sich wohl gelöst 
aus der Aura vieler Schichten
Herz und Hand war'n eingedöst

Heut erwachte ich im Dunkeln
Die Sonne schlief noch vor sich hin
und ich fühlte tief im Innern
wie verliebt ich in dich bin

Ich weiß, es ist nicht immer leicht
zwischen uns, so manches Mal
Doch als schöpferische Seele
weiß ich auch um Berg und Tal

Ich schätze all das
das wir schaffen
Auf vielen Ebenen 
ist's so frei

Du verstärkst mich
Ich bestärk' dich
Das Außen ist dann
einerlei

Ich freue mich 
auf unseren Weg
der ganz offen 
vor uns liegt

Und ich sag 
aus tiefstem Herzen:
Hier ist eine (und ne zweite)
die dich liebt 

Katz frisst Maus

Die Knochen, sie knacken
Die Knochen, sie bersten
Der Schädel zersplittert
Den Kopf frisst's zum Ersten

Die übrigen Teilchen
werden gierig verschluckt
Nur die Nier' will's nicht fressen
die wird ausgespuckt

Das blutige Maul
sauber geleckt
mit der Tatze des Todes hat's
Maus niedergestreckt

Wie gewaltvoll erscheint
das getigerte Biest
das mich maunzend machte
zum spectator of the feast

Dem Festmahl wohnte 
ich ambivalent bei
mich selbst dran erinnernd
dass des Lebens Lauf ein sterblicher sei

Katz frisst Maus – gelesen von Marlene Seibel

Katz frisst Maus, 2020

Für Marzipan

Oh, du schöner Marzipan
siehst mich so verlockend an
Deiner Augen weites Blau
lässt mir nur denken: wow
wie sehr es mich berühren kann
dich anzusehn, mein Marzipan

So schreib ich nen illustren Text
der kein ästhetisch' Goldstück ist
der aber mit Fug und Recht
aus meines Herzens Tiefe spricht

Aus der Tiefe meines Herzens
nicht, weil's mir beliebt zu scherzen
wähl' ich Worte, die sich reimen
die wie Leim den Bausatz einen

Den Bausatz, der der Text hier ist,
der von der Liebe zu dir spricht
der Liebe, die ich für dich habe
so weit wie deiner Augen Farbe

(2020)

Im Wald

Eine Schar Vögel
zieht über mir vorbei
aus den Hälsen kreischend
Mit den Flügeln schlagend
Das Rauschen der Wolke
Übertönt ihr eigenes Geschrei
Der Regen tropft auf das Laub
das unter meinen Füßen raschelnd ruht
Tropf
Tropf
Tropf
Links.
Rechts.
Tropf.
Tropf.
In der Ferne bellt ein Hund
Ein Mal
Zwei Mal
Wuff
Wuff
Eine Taube gurrt
Sechs Gänse krächzen
Weit weg tösen Motoren
Mehr Vögel zwitschern
Singen ihr Lied
Ich stehe hier
und schreibe meins

(2020)

Frausein Menschsein

The Feminine, 2020, Tinte auf Papier

Ich
bin eine Frau

ich bin gerne eine Frau

Ich
ich bin ein Mensch
ich bin gerne ein Mensch

Schwester bin ich
Mutter bin ich
wo mich Mensch als Mutter braucht
wo mich Mensch als Schwester braucht

sinnlich liebend
kann ich sein
wenn mein Körper menschlich liebt

ich gebe das
was ich geben möchte
das gebe ich
bedingungslos
gebe ich das
was manch ein Mensch manchmal nicht hat

(2020)

Süchtig nach Leben

Ich bin süchtig nach Leben.
Ein Sichberauschen am Leben.
Manchmal sich berauschend, um mehr zu leben.
Um das Leben zu fühlen in allen Formen und Farben.

Und doch verschwimmen im Rausch die Farben,
vermischen sich Formen.
Wird alles zu einem Wirrwarr aus Licht,
Schatten und verschwommenen Grenzen.

Grenzen im Kopf lösen sich auf.
Die Zunge lockert sich.
Was da ist, kommt raus.

Glorifiziere ich den Rausch?
Manchmal.

(2019)

Auf Augenhöhe

Wir nähren uns an. Unsere Schnittmenge nimmt zu.
Ich gehe weiter auf dem Weg, den du schon länger gehst.
Mein Schritt ist schnell, doch rennen tue ich nicht.
Ich laufe dir nicht nach, doch ich folge deiner Richtung.
Ich gehe nicht in deinen Fußspuren.
Ich trete auf meinem eigenen Pfad.
Doch der verläuft zunehmend paralleler zu deinem.
Wir gehen nebeneinander.
Auf Augenhöhe.

(2018)